Offenbarungseid Grundrente
Die SPD (gemeinsam mit CDU/CSU und vorher mit den Grünen) kann es nicht lassen. Nach Agenda 2010, dem Raubbau am Rentenniveau, prekäre Arbeit, Rente mit 63 oder Marketinggesetzen wie “Gute-Kita” oder “Starke-Familie”, kommt jetzt die “Respekt-Rente“. Wertige Verpackung mit viel heißer Luft oder wirkungslos, wie das Gehalts-Transparenz-Gesetz.

Aber schauen wir uns einmal genau an, was Hubertus Heil hier als einen Respekt vor den langjährigen Geringverdienern verkaufen will. Das Rentensystem basiert auf sog. Entgeltpunkte. Die entstehen aus sozialversicherungspflichtigem Einkommen, freiwilligen Zahlungen und einer Reihe von Lebensbereichen, die in Punkte angerechnet werden, wie z.B. die sog. Mütterrente. Anerkennungszeiten für die Kindererziehung. Für jeden Monat eines Entgeltes bekommt der Arbeitnehmer diese Punkte, die wie ein Optionsschein für eine spätere Rente gelten. Jetzt werden einige einwenden, es wären eher Gutscheine. Nein, leider nicht.
Ein Gutschein hat einen festen Wert, den man ggfs. einfordern kann. Der Rentenanspruch dagegen hat keinen festen Wert. Dazu reicht ein Blick auf die Entwicklung des Rentenniveaus. Seit 1985 von 55 Prozent auf derzeit 48 Prozent abgesenkt. Zusätzlich gibt es eine Versteuerung von Rente seit den 1970er Jahren, die 2005 nochmal zu Ungunsten der Rentner verändert wurde. Von der Grundidee, Altersrente soll den Lebensstandard erhalten, hat man sich schon lange verabschiedet.
Hubertus Heil
Foto: Sandro Halank, Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0
Milchmädchenrechnung “Respekt-Rente”
Selbst dieses Mädchen würde heute in der Grundsicherung landen. Die Grundrente nach Heil bekommen nur die Rentner, die mindestens 35 Beitragsjahre angesammelt haben. Für jedes Beitragsjahr gibt es eine bestimmte Zahl von Entgeltpunkten, abhängig von der Höhe der Einkünfte. Die Rentenversicherung prüft automatisch, ob ein bestimmter Wert unterschritten wird. Dieser liegt bei 0,8 Punkten. Würde dann für die 35 Jahre auf diesen Wert angehoben. Höchstens 14 Entgeltpunkte. So errechnen sich die 448 Euro, die als maximale “Erhöhung” dabei herauskommen. Der Spiegel-Artikel zur Grundrente zeigt sehr deutlich auf, welche Pferdefüße in diesem Konzept zu finden sind.
So werden z.B. die große Masse der Frauen, die in einer Partnerschaft lebten, sich um die Kindererziehung kümmerten und nur sporadisch einen Minijob ausübten, leer ausgehen. Auch Alleinerziehende, die über lange Jahre nur Minijobs ausüben konnten, fallen hier hinten runter. Die Grenze von 35 Beitragsjahren ist zwar weniger als 40 Jahre, aber für die Gruppe derer, die keine doch über Jahrzehnte währende Beschäftigung nachweisen können, eine böse Falle. Also wird dieses eine Erhöhung des Rentenniveaus für eine kleine Gruppe von Bürgern. Auf die Klagen vor dem Verfassungsgericht bin ich schon gespannt.

Inzwischen sind wohl mehr PR-Spezies und Juristen in den Parteien am Werk, als Menschen, die sich darum kümmern, wie wir dieses Gemeinwesen in die Zukunft führen. Einwände, dieses wäre eine Ohrfeige für die junge Generation oder ein weiteres Geschenk an die Industrie, sind nicht von der Hand zu weisen. Der “hart arbeitende Mittelstand” ist das Schlagwort, was gerne von ziemlich allen Parteien genommen wird. Die Steuern, die dieses Rentenniveau anheben sollen, müssen derzeit von denen bezahlt werden, die steuerpflichtig sind. Die Industrie, die diese Billigjobs gerne anbietet, verlagert unter aktiver Mithilfe von Politik, ihre Verantwortung zu einem hohen Anteil auf die gesamte Gesellschaft. Aber das ist gute Tradition in dem Verbund von SPD, Gewerkschaften und Industrie, wie man an der “Agenda2010” bis hin zur “Rente mit 63” gut veranschaulichen kann.
Teilzeit bei Männern immer beliebter.
Quelle: “WSI GenderDatenPortal, Hans-Böckler-Stiftung”
Arbeit lohnt sich nicht
Für Rente schon gar nicht. Aber nicht nur für viele, die arbeiten gehen, sondern auch auch immer weniger für die Politik. Schon heute beziehen 544.000 Menschen im Rentenalter eine solche Grundsicherung, als Hartz IV-Nachfolge nach Renteneintritt, nur ohne JobCenter. Über 50 Prozent der dort registrierten Rentner haben keinerlei Anspruch auf eigene Rente aus der Rentenversicherung. Altersarmut kommt also nicht aus der Arbeit, sondern aus der Entlohnung und den Auffangbecken der Gesellschaft, die sich gar nicht an der Solidargemeinschaft beteiligen. In den nächsten zehn Jahren drängen die Babyboomer in die Rente. Die geburtenstärksten Jahrgänge der Nachkriegszeit gehen in Rente. Diese haben allerdings auch ziemliche Verwerfungen in den letzten drei Jahrzehnten erlebt. Brüche in der Erwerbsbiografie, Arbeitslosigkeit, niedrigeres Einkommensniveau, Trennungen und prekäre Arbeit. Von dem Beitritt der DDR will ich an dieser Stelle gar nicht reden.

Noch im letzten Wahlkampf zog die SPD mit “Rente” in die Schlacht um Wählerstimmen. Der DGB wollte, dass Rente für ein gutes Leben reicht. Der SPD reichte, wenn die Rentner das bis zur nächsten Wahl glauben. Haben sie aber nicht und zwar mit gutem Grund.
Inzwischen haben wir über 42 Millionen versicherungspflichtig abhängig Arbeitende. Aber seit Beginn der 2000er Jahre übersteigt die Summe der Unternehmens- und Vermögenseinkommen die der Löhne bei weitem. Noch ist die Lohnsteuer eine wichtige Säule der Staatseinnahmen. Das wird sich mit weiterer Ausdehnung der Niedriglöhner und Teilzeitangebote allerdings durchaus gravierend verändern. Die anstehenden Themen des Rentensystems wie babyboomer, Alterspyramide, geringe Renten werden hier nicht einmal mit einem Wort erwähnt.
Dieses Heil´sche Versprechen von “Respekt-Rente” ist eine “wertige PR-Verpackung” für ein Krümelchen hin zur einer Gerechtigkeit. Dieses dürfte den anstehenden Wahlen geschuldet sein, um im Kampf gegen “Rächts” der AfD etwas Wind aus den Segeln zu nehmen, dass hier Migranten Sozialleistungen bekommen, für die sie nichts “geleistet” haben. Aber arme hart arbeitende Deutsche in der Grundsicherung landen, die ihnen weniger Spielräume lässt, als die Zuwendungen in Summe an Migranten.
Geld ist nicht das Problem
Inzwischen ist in der Diskussion um ein Bedingungsloses Grundeinkommen (BGE) das Argument der Unbezahlbarkeit fast gänzlich verschwunden. Alleine die Tatsache, dass sich das Weltwirtschaftsforum in Davos schon 2016 ausführlich mit dem BGE auseinandersetzte, zeigt, dass die Wirtschaft, besser die Kapitaleigner, die Situation schon sehr genau kennen. Die eingeladenen Politiker bekommen hier nur den Brain verpasst, damit die Politik von diesen Ideen infiziert wird. Der Rest ist Ehrfurcht, vorauseilender Gehorsam oder einfach moderne Korruption.
Eine Wiederauflebung der immer noch gültigen Vermögenssteuer, eine Gleichbehandlung aller Einkunftsarten, eine echte Erbschaftsteuer, Steuerpflicht für Beteiligungsgewinne, das amerikanische Modell der Steuerpflicht und eine Finanztransaktionssteuer, würden einen Sockel darstellen, der noch ganz andere sinnvolle Staatsaufgaben für die Gesellschaft in Gang setzen würde. Vorausgesetzt, dieser Staat mit seinen weltweit einmaligen Metern an Gesetzen, fängt an, diese auch anzuwenden.

Wie wäre es, wenn man endlich nicht verschämt, gegen wirklich als übel zu bezeichnende Widerstände, gegen die Mütterrente vorgehen würde, und die Erziehung von Kindern als eine gesellschaftlich gewollte Leistung anerkennt. Also ein SolidargehaltErziehung für die ersten Jahre eines neuen Bürger. Mit Aufbau von Ansprüchen in der Sozialversicherung. Gleiches gilt für den unsäglichen Bereich der Pflege von Angehörigen im häuslichen Umfeld. Hier ist ein Solidargehalt Pflege nötig. Über 73 Prozent der zu pflegenden Personen werden von der Familie gepflegt. Hier droht zum Teil eine besondere Schwere der Armut, neben der individuellen Belastungssituation.
Ein Umdenken ist mehr als dringend notwendig, statt Kinder und Alte zu BIP-relevanten Faktoren zu machen, sollte die solidarische Gesellschaft diese Leistung anerkennen und zwar in einem üblichen Marktwert, nicht als gnädige Almosen. Damit sind Familien wirklich gestärkt. Wahlfrei für Kinder und deren Entwicklung entscheiden, für die Mutter, die im Alter Unterstützung braucht, ohne Angst vor wirtschaftlicher Not zu haben und Raubbau an sich zu betreiben. Ist das ideologisch gewollt? Diese Frage muss man stellen. So ganz nebenbei würde man die Lücken an Erziehern und Pflegekräften noch verringern.
Andrea Nahles sollte den Menschen in die Augen sehen.
Foto: Sepp Spiegl
Ein paar Links zu diesem Thema, die die Bandbreite der Diskussion und auch die Absurdität der Debatte etwas aufzeigen: